So wird 2013

Niedersächsisches Mediengesetz, § 59: “Medien, die bis zum Neujahrstag keine heitere Jahresvorschau liefern, werden mit Auflageeinbußen nicht unter fünf Prozent bestraft.” Na denn: Schöner ins Jahr mit dem Lokalteil.

Da dämmert es heran, das neue Jahr. FOTO: mno

Da dämmert es heran, das neue Jahr. FOTO: mno

2. Januar: Da die Geschäfte in den Schlosshöfen auch im zweiten Jahr unter den Erwartungen geblieben sind, entschließt sich die ECE-Gruppe, ein weiteres Center in der Oldenburger Innenstadt zu eröffnen. Die Wahl fällt auf das dahinsiechende CCO, das zwar erst vor wenigen Jahren saniert worden ist, nun allerdings trotzdem komplett abgerissen wird, damit der Neubau exakt so aussehen kann wie jedes andere ECE-Center dieser Welt.

20. Januar: Bei der Landtagswahl gehen erneut beide Oldenburger Wahlkreise an die SPD, die Wahl insgesamt aber an die CDU, nachdem Mutti Merkel die Oldenburger drei Tage vorher um den Finger gewickelt hat. Da gleichzeitig die FDP auf 1,3 Prozent abrutscht, kommt es zu einer Großen Koalition, wodurch sich die Redebeiträge der Sozialdemokraten im Oldenburger Rat um die Hälfte verkürzen, da sie nicht mehr über die Politik in Hannover schimpfen dürfen.

28. Januar: Nachdem der aus dem Maya-Kalender abgeleitete Weltuntergang im Dezember ausgeblieben war, stürzen sich Esoterikverlage, Verschwörungstheoretiker und Partyveranstalter auf den 15. Februar als neuen Apokalypse-Termin: Dann soll der Asteroid „2012 DA14“ alles Leben auf der Erde vernichten. Eigentlich sind sich Wissenschaftler zwar ziemlich sicher, dass er vorbeifliegen wird, aber auf die hört ja auch sonst niemand.

2. Februar: Die gerade erst wieder eingeführte “Bettensteuer” muss bereits wieder ausgesetzt werden, nachdem der Vermieter eines Fremdenzimmers in Wanne-Eickel erfolgreich gegen sie geklagt hat – er konnte dem dortigen Gericht glaubhaft erklären, dass es an der Steuer liege, dass niemand in Wanne-Eickel übernachten wolle. Die Oldenburger Stadtverwaltung kündigt eine Überarbeitung ihrer Steuersatzung an.

16. Februar: Der Asteroid hat die Erde – wie zuvor prognostiziert – verfehlt, aber Schäden hat es dennoch gegeben: Die Wallstraße liegt nach einer ausgeuferten „Oh-mein-Gott-wir-werden-alle-sterben“-Party in Schutt und Asche, und drei Viertel der Oldenburger Taxi- und Busflotte sind derart vollgekotzt, dass die Fahrzeuge ausgewechselt werden müssen. Die Arbeitslosenquote steigt ebenso wie die Zahl der Singles sprunghaft an, nachdem eine erkleckliche Zahl von Leuten in den vergangenen Tagen ihren Chefs bzw. Partnern ordentlich die Meinung gegeigt hat. Partyveranstalter schwenken sofort auf „Lonely-Hearts“-Events mit Dosenbier um.

25. Februar: Beim traditionellen „Defftig Ollnborger Gröönkohl-Äten“ in Berlin wird die Stadtkasse mit mehreren Hundert Euro zusätzlich belastet, da gegen 22 Uhr ein paar Dutzend Pizzen nachbestellt werden müssen, weil der neue Kohlkönig Peter Altmaier den Grünkohl- und Pinkelvorrat beinahe im Alleingang vernichtet hat.

4. März: Die Uni Oldenburg legt die Ergebnisse der Straßennamenstudie vor. Überraschenderweise haben die Historiker an Namen wie „August-Hinrichs-Straße“ oder „Ostlandstraße“ wenig auszusetzen; dafür mahnen sie dringend an, die „Nordtangente“ und die „Mittellinie“ umzubenennen – die seien viel zu wenig geisteswissenschaftlich konnotiert. Als Alternativen schlagen sie „Straße der Bielefelder Schule“ und „Fischer-Kontroverse-Weg“ vor.

1. April: Der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann, gibt eine Pressemitteilung heraus, nach der die Bahnumgehung um Oldenburg in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werde und die Planfeststellung bereits im kommenden Jahr beginnen könne. Die Oldenburger ziehen tanzend durch die Innenstadt und feiern durch bis morgen früh und singen bumsfallera …

2. April: … weshalb leider niemand Notiz von Ferlemanns zweitem Fax nahm, das eine Stunde nach der PM eintaf und dessen Inhalt sich auf die Worte „April, April“ beschränkte. Wutentbrannt stürmen verkaterte Angehörige aller mittlerweile acht Bahnlärminitiativen den Bahnhof, wissen allerdings nicht so recht, was dort zu tun ist und verlassen ihn unverrichteter Dinge wieder, zumal sie von Bundespolizisten höflich darum gebeten werden.

15. April: Die EWE erhöht zum vierten Mal in diesem Jahr die Strompreise. Aus einem internen Vorstandsschreiben des Konzerns, das in die Öffentlichkeit gelangt, geht die dahinter stehende ausgeklügelte Strategie hervor: „Das ist ja kein Gas diesmal, da merkt es dann keiner.“

22. April: Antifa-Aktivisten wollen die Ratssitzung nutzen, um das Haus von NPD-Ratsherrenmensch UIrich Eigenfeld komplett zu demontieren und in Oberschlesien wieder aufzubauen, finden es aber nicht mehr, da Eigenfeld es nach der letzten Umgestaltung durch die Antifaschisten feldgrau gestrichen und mit Tarnnetzen behängt hat. Mit leichter Verspätung treffen sie im PFL ein und brüllen Eigenfeld nachträglich nieder.

6. Mai: Filmfest-Chef Torsten Neumann präsentiert einen spektakulären Sponsoring-Coup: Die „Aida“-Reederei erklärt sich bereit, die geladenen Stargäste auf ihre Kosten aus den USA nach Oldenburg zu bringen. Da sie dazu jedoch erst zwei Dutzend karibische Häfen abklappern, eine Donaukreuzfahrt absolvieren und eine Anzahl norwegischer Fjorde hinter sich bringen müssen, bevor sie in Bremen an Land gesetzt werden können, muss das Filmfest auf Dezember verschoben werden.

20. Mai: Die neue Beherbergungssteuersatzung wird verabschiedet. Beim Einchecken wird nun ein Lügendetektor-Test obligatorisch, der sicherstellen soll, dass die Gäste bei der Angabe, ob die Übernachtung privat oder geschäftlich motiviert ist, nicht flunkern.

21. Mai: Die CDU-Fraktion beantragt die Abschaffung der am Vortag eingeführten Steuer, da sie rechtliche Verwicklungen befürchtet, wenn bei der Erhebung der Abgabe nicht eindeutig zwischen nach Feng-Shui-Richtlinien eingerichteten und normalen Hotelzimmern unterschieden werde.

30. Mai: Am ersten „Westfalentag“ des Jahres veranstalten Mitglieder der Grünen-Fraktion eine Sitzblockade auf den Parkplätzen vor dem Schlauen Haus. Wütende Mercedes-190-Fahrer aus Ostwestfalen-Lippe versuchen erfolglos, sie aus dem Weg zu hupen, erreichen aber damit nur, dass sich verschiedene Verkehrslärminitiativen mit den Politikern solidarisieren. Das gemeinsame „Kumbaya my Lord“-Singen endet abrupt, als alle schnell zur Seite springen müssen, weil sich ein Havixbecker Rentner mit seinem Audi Q7 nähert und alle vier Parkplätze auf einmal einnimmt.

5. Juni: In einer nächtlichen Guerillaaktion platzieren Bürgervereinsmitglieder das Graf-Anton-Günther-Denkmal auf der Friedenssäule, die daraufhin umkippt und Oldenburg somit von gleich zwei nervigen Denkmaldebatten befreit.

11. Juni: Die “Bettensteuer” wird wieder ausgesetzt, da die Lügendetektoren zum Explodieren neigen, wenn Firmenchefs mit ihren Sekretärinnen im Hotel einchecken wollen und die Frage nach privater oder beruflicher Übernachtung beantworten müssen.

18. Juni: Im PFL wird eine neue Technik eingeführt: Der Stuhl des NPD-Ratsherrenmenschen Ulrich Eigenfeld wird mit einem Kontaktschalter ausgestattet, der – sobald sich der Kontakt löst, weil Eigenfeld für einen Redebeitrag aufsteht – ein halbes Dutzend Ghettoblaster auf den Zuschauerrängen in Betrieb setzt, die zuvor aufgezeichnete Protestrufe abspielen. Der Vorteil für die Antifa-Aktivisten: Sie können in Ruhe Eigenfelds Haus umdekorieren und anschließend noch gemütlich ein Feierabendbier trinken gehen, statt sich stundenlang Redebeiträge anhören zu müssen, während sie auf ihre dreiminütigen Einsätze warten. Der Vorteil für die Stadt: Sie spart Kosten bei den Sicherheitsmaßnahmen.

29. Juni: Nachdem Journalisten in Internetforen auf die Theorie gestoßen sind, dass die Zeitreisen, die sogenannte Chrononauten des US-amerikanischen „Montauk“-Projektes angeblich experimentell durchführen, nur bis zum 12. August 2013 funktionieren und nicht zu einem späteren Zeitpunkt, wird der Weltuntergang auf den 13. August terminiert. Partyveranstalter, Esoterikverlage und … ach, siehe oben.

30. Juni: In der NWZ erscheint der erste Leserbrief, der die Wiedererrichtung der Säule am Friedensplatz mit dem „Friedensengel Anton Günther“ an der Spitze fordert.

14. August: Die Welt hat sich ein weiteres Mal geweigert, unterzugehen. Da die Wiederaufbauarbeiten in der Wallstraße noch nicht abgeschlossen waren, waren dieses Mal die Kneipen am Rathausmarkt dran, in arge Mitleidenschaft gezogen zu werden. Und der Rathausmarkt selbst – ein Großteil der Pflastersteine findet sich anschließend in den geplünderten Schlosshöfen wieder. In dessen Überresten materialisiert sich in den frühen Morgenstunden ein englisch sprechender und leicht verwirrt wirkender Uniformierter und fragt nach dem Datum, wird aber von den letzten Nachtschwärmern sofort verprügelt.

26. August: Die ganz neue Beherbergungssteuersatzung wird verabschiedet. Der Einsatz technisch anfälliger Lösungen wie Lügendetektoren wird untersagt. Stattdessen dürfen Hoteliers, um die steuerrelevante Frage nach privater oder geschäftlicher Motivation der Übernachtung eines Gastes beantwortet zu bekommen, zu althergebrachten Methoden wie Waterboarding, Fingernägelausreißen und dem Vorlesen vogonischer Gedichte greifen.

26. August, eine halbe Stunde später: Die in der vorangegangenen Abstimmung unterlegene CDU beantragt die Abschaffung der “Bettensteuer”, weil in der Satzung die Frage nach der Steuerrelevanz der Farbe der Bettwäsche nicht eindeutig geklärt sei und deutlich zwischen weichen und harten Matratzen unterschieden werden müsse.

1. September: Filmfest-Chef Torsten Neumann stellt das Programm des 20. Festivals vor. Da das Engagement von „Aida“ die Finanzierungslücke nicht ganz füllen kann, greift das Team zu ungewöhnlichen Sparmaßnahmen: Die T-Shirts vom 10. Filmfest werden wieder hervorgeholt und mittels Farbstiften aus den Einsen Zweien gemalt. In den Vorführungen soll nur abgelaufenes Popcorn gereicht werden, und die Filmfest-Gala wird in „Wallys Bierstuben“ verlegt.

23. September: Nachdem die Antifa-Truppe Eigenfelds Haus doch noch gefunden hat, kommen sie allerdings nicht mehr an es heran: Der NPD-Mann hat die Zeit genutzt, um das Haus mit Schützengräben, Stacheldrahtverhauen, MG-Nestern und Minenfeldern zu umgeben. Die muss er aber auf behördliche Anordnung allesamt wieder entfernen, da seine Adresse als Wohngebiet ausgewiesen ist; Eigenfelds Antrag im Rat, die Festung Tannenkampstraße zum Frontgebiet zu erklären, scheitert kläglich.

5. Oktober: Die EWE wird von 160.000 Oldenburgern wegen des Strompreises verklagt. Um eine außergerichtliche Einigung durch einen neutralen Vermittler auszuhandeln, begeben sich die Juristen – da Henning Scherf schnell einen Urlaub gebucht hat, nachdem er davon erfahren hat – auf die Suche nach einem anderen unterbeschäftigten ehemaligen Großstadtbürgermeister. Schnell werden sie mit Klaus Wowereit einig.

19. Oktober: Die Stadt Oldenburg beendet die Partnerschaft mit Machatschkala, nachdem eine Umfrage im Rathaus ergeben hat, dass ohnehin niemand weiß, wo das liegt und was genau eigentlich ein „Dagestan“ sein soll. Stattdessen bemüht sich OB Gerd Schwandner um eine Partnerschaft mit Masdar City in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die als viel übermorgiger angesehen wird, zumal sich ihre Fertigstellung um ein gutes Jahrzehnt verzögert.

28. Oktober: Oldenburger Bauunternehmer schreiben Geschichte, nachdem es ihnen gelingt, auch ein gutes Jahr nach Fertigstellung des Schlauen Hauses den entsprechenden Kostenvoranschlag „leider nicht einhalten“ zu können, wodurch noch einmal zwei Millionen Euro zusätzlich fällig werden.

10. November: OB Schwandner stellt das neue Partnerland Oldenburgs für das Jahr 2014 vor. Nachdem im Vorfeld als Kandidaten Taiwan (ist ja irgendwie auch China), Mauritius (wollte Schwandner schon immer mal hin) und Gliese 581 d (schließlich ist Oldenburg Übermorgenstadt) gehandelt worden sind, fällt das Ergebnis überraschend aus: Es wird das Emsland. Die Grünen fordern umgehend ein sofortiges Abwahlverfahren des OB, da sie „diese andauernden Reisen in immer exotischere Gegenden der Welt“ nicht mehr finanziert sehen wollen.

3. Dezember: Das 20. Internationale Filmfest beginnt. Das ursprünglich geplante Special zum frühen 3D-Film der 50er-Jahre wird jedoch kurzfristig aus dem Programm gekippt, als das Team feststellt, dass der Hersteller der benötigten 3D-Brillen im gutgemeinten Bestreben nach größtmöglicher Authentizität rot-grüne Brillen geliefert hat.

5. Dezember: Die Uni feiert ihren 40. Geburtstag. Zur Feier des Tages – und weil man in diesem Alter die politische Sturm- und Drangzeit bekanntlich hinter sich gelassen hat – benennt sie sich in Dr.-Werner-Brinker-Universität um.

12. Dezember: Die wiederaufgewärmte Meldung über die Behauptung eines russischen Kosmonauten, nach der der Mayakalender erst am 23. Dezember 2013 ende und Außerirdische an diesem Tag die Erde zerstören würden, sorgt nach den diversen Apokalypseszenarien der vergangenen Monate nur noch für Langeweile und genervtes Augenverdrehen. Selbst die Zeitungen verbannen die Geschichte höchtens in ihre „Auch das noch!“-Rubriken. Oldenburger Gastronomen in der Umgebung der weitgehend zerstörten Innenstadt wischen sich in ihrer Erleichterung soviel Schweiß von der Stirn, dass damit der Turm des Staatsarchivs gereinigt werden kann.

23. Dezember: Außerirdische landen und vernichten die Menschheit.

30. Dezember: Die Oldenburger bekommen mit, dass die Menschheit vernichtet wurde.