Der Rat bin ich!

Die Frage des Bahnlärms treibt Oldenburger Bürger schon seit einiger Zeit um, und mitunter treibt diese Debatte recht skurille Blüten. Nicht weil der fragliche Lärm noch gar nicht zu hören ist, sondern erst in ein paar Jahren mit dem Ausbau der Strecke nach Wilhelmshaven anfallen wird – nein, sondern weil den ersten politischen Vertretern offenbar der Sinn für demokratische Grundregeln völlig abhanden kommt. Vorhang auf für den CDU-Kreisverband Oldenburg-Stadt.

Die zeigt sich momentan – nun ja, etwas neben der HO-Spur: In einem merkwürdigen Anfall von Anmaßung hatte die Partei zu einem einseitig, nämlich von ihr allein zu veranstaltenden “Bahn-Gipfel” aufgerufen und andere politische Vertreter dazu eingeladen. Alle? Nein, nicht alle: Die Linke muss, ginge es nach dem CDU-Kreisvorsitzenden Olaf Klaukien, leider draußen bleiben.

Es ist müßig zu diskutieren, ob es einer Partei überhaupt zusteht, einen “Gipfel” zu einer solch grundlegenden, weil einen Großteil der Einwohnerschaft angehenden Frage auszurufen – natürlich muss ein derartiger Gipfel, soll er auch nur den Anflug einer öffentlichen Legitimation besitzen, von einer überparteilichen Verwaltungsinstanz organisiert werden. Meinetwegen vom Oberbürgermeister, auch wenn dieser sich im Rat auf CDU-Stimmen stützt. Eine Partei hingegen kann einen solchen “Gipfel”, soll er denn die  im Allgemeinen mit diesem Begriff verbundene politische Seriösität bieten, vielleicht fordern – aber nicht veranstalten.

Abgesehen davon muss man sich fragen, was den CDU-Politiker geritten hat, eigenmächtig bestimmen zu wollen, welche gewählten Volksvertreter an den Gipfelgesprächen teilnehmen dürfen und welche nicht? Im Rat der Stadt Oldenburg sind vier der 50 Ratsfrauen und -herren Abgeordnete der Linken; mehr als 7 Prozent der Oldenburger, rund 4.000 Menschen, haben der Partei ihre Stimme gegeben. Sollen die vom politischen Entscheidungsprozess ausgeschlossen sein?

Selbst die FDP, die auch auf lokaler Ebene des übertriebenen Fraternisierens mit Linken vollkommen unverdächtig sein dürfte, übt deutliche Kritik am Vorgehen der CDU und pocht auf “Vollständigkeit der politischen Kräfte“. Auch SPD und Grüne äußerten sich kritisch, was sie jedoch nicht davon abhielt, die bizarre Einladung anzunehmen. Ich bin schon jetzt gespannt, welches politische Gewicht diesem kleinen privaten Parteienhappening anschließend beigemessen wird.

Und wie reagiert Klaukien nun in einer heute nachgeschobenen Pressemitteilung auf die Kritik? Zum einen mit der bei so vielen konservativen Politikern offenbar tief im Rückenmark verankerten und reflexartig hervorgebrachten Gleichsetzung von rechts und links nebst dem obligatorischen Hinweis auf die Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz, was allmählich nicht nur ziemlich ermüdend wirkt, sondern für demokratische Verfahren im allgemeinen und in der Frage des Oldenburger Bahnlärms im besonderen völlig irrelevant ist, solange die Partei nicht verboten wird.

Zum anderen mit der ebenso erstaunlichen wie auch merkwürdigen Ankündigung, “alle demokratischen Akteure mitnehmen und keine One-Man-Show davon machen“ zu wollen, da das “dem für die Bürgerinnen und Bürger wichtigen Thema nicht gerecht werde“.

Ja, was denn nun?

Man merkt in solchen Momenten ziemlich deutlich, dass in diesem Jahr Kommunalwahlen anstehen. Dass in solchen Zeiten bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf den politischen Gegner losgegangen wird, ist ja nichts besonderes. Dass man allerdings die Definition demokratischer Verfahrenswege nach eigenem Gusto umbiegt, hingegen schon.

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