Die Herren der Heizthermen

Die EWE rudert zurück: Auf die Gaslieferung an 25.000 Privathaushalte, die der Konzern als Eigenverbrauch deklariert hatte, will er nun doch die Konzessionsabgaben nachzahlen.

Wärme, nicht zu verwechseln mit der Gasheizung. BILD: Maren Beßler / pixelio.de

Wärme, nicht zu verwechseln mit der Gasheizung. BILD: Maren Beßler / pixelio.de

Nicht ab 2010, wie es zunächst geheißen hatte; auch nicht ab 2006, wie der Konzern noch Anfang der Woche anheim gestellt hat – nein, ab dem Jahr 1999 sollen nunmehr die Konzessionsabgaben rückwirkend geleistet werden, die die EWE bislang durch die Anwendung einer etwas bizarr wirkenden Sonderregelung nicht an die Kommunen abgeführt hatte. Das Thema sei „sehr komplex“ und lasse „unterschiedliche Interpretationsspielräume“ zu, erklärte Unternehmenssprecher Christian Blömer am Donnerstag. Gleichwohl wolle man „nicht durch eine Diskussion darüber das gute Verhältnis zu unseren Partnern, den Kommunen, trüben“.

So komplex ist es indes eigentlich auch wieder nicht, das Prinzip scheint ebenso simpel wie stichhaltig: Ein Energieversorger kauft über Jahre in großem Maßstab Heizthermen in Wohnhäusern. Das an diese – somit im Firmenbesitz befindlichen – Heizanlagen gelieferte Erdgas weist er als “Eigenverbrauch” aus. Der Vorteil: Die Konzessionsabgabe, die der Versorger an die Kommune für das Exklusivrecht zur Nutzung der Energienetze normalerweise zahlen muss und die sich nach der Menge des durchgeleiteten Erdgases berechnet, wird für diese Lieferungen nicht erhoben – die Konzessionsabgabenverordnung (KAV) nimmt sogenannte Verteilerunternehmen, und zu diesen zählt die EWE Netz, explizit von der Abgabepflicht auf Eigenverbrauch aus. Ein Modell, das sich für die Versorger rechnet und daher auch schon einen eigenen Namen hat: “Contracting-Modell” heißt es, und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bestätigt, dass es sich um einen Trend handelt, dem viele Energieunternehmen folgen.

[kommentar]Kommentar
Heimlich & Co
Regelrecht illegal ist es wohl nicht, dieses Contracting-Modell – vielleicht wird es irgendwann mal von einem Gericht gekippt, aber darum geht es nicht. Es geht um den Geist, der innerhalb der EWE zu herrschen scheint, um eine Firmenphilosophie, die den Anteilseignern nicht nur Schaden zufügt, sondern sie ganz bewusst benachteiligt.
Die EWE gab sich wirklich viel Mühe, um den Kommunen, denen – man kann es gar nicht oft genug sagen – der Konzern schließlich gehört, auf verwickelten Wegen Geld vorzuenthalten. Die Belieferung von 25.000 Haushalten als “Eigenverbrauch” eines Unternehmens mit 1.600 Mitarbeitern zu bezeichnen – darauf muss man erstmal kommen, dazu gehört schon mehr als ein bisschen Chuzpe.
Und die Kommunen erfuhren davon offenbar nicht einmal etwas; sie mussten die Zahlen, die die EWE ihnen Jahr für Jahr vorlegt, einfach hinnehmen. In jedem anderen Unternehmen müsste sich der Vorstand warm anziehen, sollten die Anteilseigner Kenntnis von solchen Tricksereien zu ihren Ungunsten erlangen – die EWE scheint sich angesichts der zahlreichen Skandale offenbar daran gewöhnt zu haben, dass so etwas bei ihr kaum Folgen hat; und gedanklich hat sie sich weit, sehr weit von ihrem eigentlichen Auftrag entfernt. Vielleicht müsste sie mal daran erinnert werden. Maik Nolte[/kommentar]Contracting heißt es bei den einen, “Betrug” nennen es die anderen. Linke-Ratsherr Hans-Henning Adler sprach von einem “Skandal”, der um so schwerer wiege, als die EWE zum Großteil im Besitz eben jener Kommunen ist, denen sie die Konzessionsabgabe vorenthalten hat: „Das ist so, als wenn ein Kind seine Eltern bestiehlt.“ Rund 25.000 Privathaushalte fielen zuletzt unter diesen Posten des “Eigenverbrauchs” der EWE Netz, ein Großteil davon in der Stadt Oldenburg, wo die EWE mit der Wohnungsbaugesellschaft GSG kooperierte. Den betreffenden Mietern sei dabei die Möglichkeit eines Energieanbieterwechsels genommen worden, womit zugleich auch die Zielsetzung des Energiewirtschaftsgesetzes, das für Konkurrenzdruck auf dem Energiemarkt sorgen sollte, unterlaufen worden sei, kritisiert Adler. Die EWE, so der Politiker, agiere mittlerweile nur noch wie ein ganz normaler kapitalistischer Konzern und nicht mehr wie ein regionaler Energieversorger, der der Öffentlichkeit verpflichtet ist.

Die EWE berief sich auf Anfrage stets auf den KAV, räumte aber auch ein, dass dessen Ausgestaltung durchaus „interpretationsfähig“ sei und auch der Konzern sich „mehr Klarheit wünschen“ würde, sagte Sprecher Dietmar Bücker. Grundsätzlich aber habe man “im Interesse der Wärmekunden gehandelt”, bei denen die Konzessionsabgabe nicht auf den Gaspreis aufgeschlagen werden musste, heißt es. Der monetäre Vorteil hält sich für diese Kunden allerdings in Grenzen: Statt der Abgabe werden in diesen Fällen eben Servicekosten für die Wartung der EWE-eigenen Heizanlage umgelegt, wodurch die betreffenden “Wärmekunden” unterm Strich mehr zahlen als “Gaskunden”, womit alle anderen gemeint sind. Zudem bleiben diese Servicekosten im Unternehmen, während die Konzessionsabgabe laut Bücker ein “durchlaufender Posten” sei, an dem die EWE nichts verdiene.

“Wärme”, das sei an dieser Stelle bemerkt, ist der Name des Produkts, das die EWE den betreffenden Verbrauchern verkauft. Sie verkauft ihnen kein Erdgas – das geht ja bloß bis zur Heiztherme, bleibt also bei der EWE; in der Wohnung kommt dann “Wärme” an. Dass die EWE bei ein und derselben Gaslieferung einmal von “Kunden” und einmal von “Eigenverbrauch” spricht, sieht Bücker nicht als Widerspruch.

Diese Differenzierung zwischen „Wärmekunden“ und „Gaskunden“ ist für Adler eher Wortklauberei: „Es handelt sich um Erdgas, das durch das Netz geleitet wird, und um nichts anderes.“ Und für diese Durchleitung würden Konzessionsabgaben fällig, „die Eigentumsverhältnisse an den Gasthermen haben damit nichts zu tun“. Das hatte der BDEW im Jahre 2010 wohl ähnlich gesehen und den Versorgern angesichts der unklaren Rechtslage empfohlen, auch auf diesen “Eigenverbrauch” Abgaben zu zahlen. Die EWE sei dieser Empfehlung gefolgt und habe mit der Abrechnung für das Jahr 2012 auch gleich die Nachzahlung für 2010 erledigt, berichtet der Sprecher. Die Stadtverwaltung will das nicht ausschließen, konnte es auf Anhieb aber nicht verifizieren: An der Höhe der Gesamtzahlung lässt sich der Zusatzbetrag nicht ablesen, da sie verbrauchsabhängig starken Schwankungen unterworfen sei. Einen extra ausgewiesenen Abrechnungsposten habe man jedenfalls nicht entdecken können, sagte Stadtsprecher Andreas van Hooven auf Anfrage.

Adler wiederum forderte mehr: Die EWE solle für den gesamten Zeitraum des Konzessionsvertrages nachzahlen, also bis zurück ins Jahr 1993. Nachdem es am Mittwoch von Seiten des Unternehmens noch geheißen hatte, man wolle eine Nachzahlung ab 2006 prüfen – dem Jahr, in dem die EWE Netz als Netzbetreiber aus dem Mutterkonzern ausgegliedert wurde -, entschloss sich der Vorstand am Donnerstagnachmittag für eine große Lösung. Ab 1999, als die EWE mit dem Erwerb der Heizthermen begann, soll die Konzessionsabgabe nun nachgezahlt werden. Der Konzern geht von einer Gesamtsumme im “mittleren sechsstelligen Bereich” aus, von der der Großteil auf die Stadt Oldenburg entfalle. Zuletzt hatten sich die den Kommunen im EWE-Gebiet auf diese Weise entgangenen Abgaben auf 190.000 Euro pro Jahr belaufen. Ein Testat eines Wirtschaftsprüfers solle der Stadt in den nächsten Wochen zugehen und für Klarheit sorgen.

Ob diese Geschichte Auswirkungen auf die anstehende Neuvergabe der Konzession haben wird, wird sich zeigen. Für das Entscheidungsverfahren haben Verwaltung und Politik in den vergangenen Monaten mit viel Mühe einen umfangreichen Kriterienkatalog erstellt – einen Punkt hätte man vielleicht hinzufügen sollen, sagt Adler: „Ehrlichkeit“.