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T-Shirts und Spielzeug raus, Möbel rein: Ein Oldenburger Architekt führt Seecontainer einer ungewöhnlichen Neubestimmung zu.

Balkon reinholen, Türen zuklappen, Lkw rufen - Umzug kann beginnen. BILD: Salinger

Balkon reinholen, Türen zuklappen, Lkw rufen – Umzug kann beginnen. BILD: Salinger

Betritt man Matthias Salingers Studentenbude, steht man sogleich vor der Küchenzeile. Rechts geht’s zum offenen Wohnbereich, links ins Bad, dahinter befindet sich eine Art Schlafalkoven. 25 Quadratmeter misst die Wohnung, eine übliche Größe für studentischen Wohnraum. Der Rest ist eher unüblich: Salinger, der seine eigene Studienzeit längst hinter sich hat, baute die Wohnung in einen handelsüblichen Seecontainer, ISO-genormt, 40 Fuß lang – eine jener Metallkästen, die millionenfach über Weltmeere, Schienen und Autobahnen verfrachtet werden.

Das Konzept „Create your Cubes“ ist das Markenzeichen des 46-jährigen Oldenburger Architekten, der selbst in einem Containerbau residiert und arbeitet – sein Büro hat er in drei aufeinandergesetzten „Cubes“ eingerichtet. Ihre ursprüngliche Bestimmung sieht man den dunkelgrau gestrichenen Metallkisten erst auf den zweiten Blick an: In die Außenseiten sind runde Fenster geschnitten; die aufgeklappten Türen an der Stirnseite, durch die die Container früher be- und entladen werden, bilden kleine Balkone. Innen sieht erinnert nichts an Frachtoptik: die Cubes sind lichtdurchflutet, mit Designermöbeln bestückt, eine stylische Treppe führt nach oben. Überhaupt, Licht: Es dürfte nicht allzu viele Räume geben, die über Fenster in zwei gegenüberliegenden Wänden verfügen.

Eine Kombination aus Metallcontainer und Dach über dem Kopf – so ganz neu ist das eigentlich nicht; und es klingt naheliegend, wenn Salinger erzählt, wo und wie er zu seiner Idee kam: In einem Containerhafen, wo sonst. Es waren allerdings nicht die mit Unterhaltungselektronik, Kleidung oder sonstigem Kram vollgepackten Frachtkästen aus Fernost, die ihn ins Grübeln brachten, sondern die Schlafcontainer der Bauarbeiter am Wilhelmshavener Jade-Weser-Port. Das könne man auch besser machen, dachte sich der Architekt, vor allem in energetischer Hinsicht. Und machte sich an seinen ersten „Cube“.

Die lassen sich neben-, hinter- und vor allem übereinander setzen und kombinieren; auch noch zu späteren Zeitpunkten. Klingt nach unbegrenzten Möglichkeiten, dabei sind die Grenzen eigentlich ziemlich genau bezifferbar: Gerade einmal zwölf Meter lang ist so ein Container, die Breite beträgt, da die Dämmung innen angebracht ist, gerade einmal 2,06 Meter. Ballsäle entstehen so nicht, auch wenn sich nebeneinander liegende Container durch Öffnung der Wände bis zu einem gewissen Grad verbinden lassen. Salinger holt einen Bildband hervor und zeigt Containerbauten in allen erdenklichen Variationen: Es ist offensichtlich vieles möglich mit den Kisten, die – wenn der Boden es zulässt – nicht einmal ein aufwendiges Fundament benötigen: „Manchmal reichen auch schon vier Gehwegplatten an den Ecken.“ Und falls örtliche Baubehörden die metallene Optik bemängeln, lassen sich die Blechkästen auch von außen mit Holz verkleiden. Ab 800 Euro pro Quadratmeter ist der eigene Cube zu haben, je nach Lage mit mehr oder weniger Zusatzkosten für Transport, Anschlüsse und dergleichen verbunden.

Und wozu das Ganze? Abhilfe gegen den Wohnraummangel? Betonung der eigenen Individualität? Der Recyclinggedanke – schließlich haben die Container mindestens eine Seereise hinter sich, die Energie zu ihrer Herstellung ist bereits eingesetzt worden? Wohl von allem ein bisschen, vor allem aber gehe es ihm darum, „Wohnraum beweglich zu gestalten“, sagt Salinger. Er selbst ist im vergangenen Jahr mit seinem mehrgeschossigen Bürobau umgezogen, fünf Stunden habe das gedauert, er musste die Möbel nicht einmal herausräumen. Nächstes Jahr zieht er vielleicht wieder um, einfach, weil er es kann.

So richtig angekommen ist dieser Gedanke des mobilen Wohnens in Norddeutschland vielleicht noch nicht; der Gedanke, dass man „nicht immer groß, nicht immer neu und nicht immer Stein auf Stein bauen“ müsse, müsse sich erst noch in den Köpfen festsetzen, meint Salinger. Dabei bieten die Container noch in anderer Hinsicht ungeahnte Möglichkeiten: Wenn es mal schlecht laufe und man die Entscheidung treffe, sein Haus zu verkaufen, könne man es – wenn es Cubes sind – dem Käufer zuschicken und das Grundstück behalten.