Last Exit Panama

Vor einiger Zeit habe ich mich bei Xing registriert – warum, weiß ich gar nicht mehr so recht; die seinerzeit allgegenwärtige “Musste machen! Knüpfste Kontakte! Brauchste unbedingt!“-Gebetsmühle war jedenfalls nicht der Grund. Ich glaubte keine zwei Sekunden daran, dass das selbsternannte Karrierenetzwerk mir beruflich irgendwie weiterhelfen könnte.

Das war allerdings zu kurz gedacht! Kaum bin ich mal eben eineinviertel Jahre dabei, schon wird mein skeptischer Ansatz Lügen gestraft und ich lerne Leute kennen, die mein Journalistendasein deutlich voranzubringen geeignet sind: Ein Mann schrieb mich aus Zentralamerika an und bat mich, über sein dortiges Projekt zu berichten. Dem komme ich natürlich gerne nach, und zwar gleich hier und jetzt. Vorhang auf für die Endzeitpropheten aus Panama.

Es gehe dabei “um die Wirtschaftskrise und um einen Krisenwohnsitz in Panama für den Fall, dass es in Europa in absehbarer Zeit ‘eng’ werden sollte“, schreibt der gute Stefan aus dem lateinamerikanischen Land. Klingt zunächst wie eine Variation der guten alten Immobilienangebote, die einem in den 80ern ein Blockhaus mit Atombunker in Montana andrehen wollten, inklusive Sturmgewehr, Munition und 2000 Eintopfkonserven.

Nun, “Weltuntergangsstimmung” wolle er keineswegs verbreiten, beruhigt mich der Mann aus dem Regenwald (versäumt es aber nicht, düster von “großen Veränderungen“, die auf uns zukämen, zu orakeln). Na, wenn das nicht neugierig macht! Zumal ich gerne wissen wollte, wie das mit dem “eng werden” gemeint war. Also flugs auf den Link geklickt …

Feuer! Pest! Mord! Börsencrash!

… um gleich darauf mit einer dahinfantasierten Grafik begrüßt zu werden, aus der hervorgeht, dass der Börsen-Leitindex Dow Jones 2012 auf Null (!) stürzen wird. Aber man will ja keine Weltuntergangsstimmung verbreiten – und da man das nicht will, ist es sicher auch nur ein Zufall, dass die dort ebenfalls grafisch dargestellte und von Esoterikern, Verschwörungstheoretikern und offenbar auch Geschäftemachern weltweit gleichermaßen gern verwendete Jahreszahl “2012” mit einer grobkörnigen Aufnahme aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929 (bzw. der Großen Depression der 30er-Jahre) unterlegt ist. Kurz: Die Welt geht den Bach runter, und zwar schon bald.

Nun denn. Auch wenn die Betreiber der Seite unter gar keinen Umständen irgendwie Weltuntergangsstimmung  verbreiten wollen, kann es ja nicht schaden, gleich auf der folgenden Seite vor den “wahrscheinlichen Folgen eines Systemzusammenbruchs wie Kälte, Hunger, Geldentwertung, Gewalt und Krieg” zu warnen, zudem auf weitere Folgen wie “Unruhen und staatliche Restriktionen wie Kapitalverkehrskontrollen, Reisebeschränkungen sowie ein Bargeldverbot” hinzuweisen sowie festzustellen: “Es gibt nicht genug Land für alle.” Hatte ich schon erwähnt, dass auf der Seite keinesfalls in irgendeiner Form Weltuntergangsstimmung verbreitet werden soll?

Lebensraumphilosophie 2.0

In einem anderen Blog – den ich genausowenig verlinken möchte wie die Website, um die es hier geht – bezeichnete der Wahlpanamaer Stefan die Lage in Europa u.a. mit folgenden Worten: “500 Millionen Menschen stehen nur 100 Millionen Hektar Agrarland zur Verfügung…” Ob er sich darüber im Klaren ist, wessen ideologische Milchmädchenrechnerei zwischen Bevölkerung und Landfläche – Stichwort “Lebensraum” – er hier aufwärmt, sei dahin gestellt. Nur eines ist klar: Mit der Verbreitung von Weltuntergangsstimmung hat das alles nichts, aber auch gar nichts zu tun; da können noch so oft Begriffe wie “Bürgerkrieg“, “Kriegsschauplatz“, “großer Krieg” oder “Weltkrieg” fallen.

Nun fragt sich der geneigte Leser längst, was der Mann aus Panama seinen Kunden denn nun eigentlich verkaufen will. Ganz einfach: Ein Stück Land, auf dem man Kartoffeln, Kohlrabi oder auch Kumquats* anbauen und sich so selbst versorgen kann, wenn das wirtschaftliche Armageddon bereits in zwei Jahren den Rest der Welt verwüstet (und dabei um Panama wundersamerweise einen Bogen macht).

Mit dem tropischen Bauernhofidyll kann der Käufer allerdings erst sechs Monate nach dem Kauf loslegen. In der Zwischenzeit bewirtschaftet laut Vertrag das Unternehmen des Anbieters sein Land und streicht auch die Gewinne ein. Sobald der Käufer die Bewirtschaftung selbst übernimmt, bezahlt er an die Firma eine jährliche Pauschale für was-auch-immer, die er wahlweise auch abarbeiten kann und deren Höhe an den Wert des Goldes gekoppelt ist, für den Fall, dass die Weltwirtschaft in den steinzeitlichen Tauschhandel zurückfallen sollte. (Nicht dass sie denken, die Firma wolle mir solchen Vertragsklauseln Weltuntergangsstimmung verbreiten. Nichts liegt ihr ferner.) Luxuszubehör wie etwa ein Haus oder landwirtschaftliche Gerätschaften sind übrigens nicht inbegriffen.

Panamaische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass…

So sieht’s aus. Das ganze ist selbstredend wissenschaftlich fundiert. Also jetzt nicht betriebs- oder volkswirtschaftlich, etwa im Hinblick auf die Frage, wie es überhaupt möglich sein soll, dass die Aktienkurse der 30 größten US-Konzerne allesamt binnen Monaten (!)  vollkommen wertlos werden. Also Nullkommanull Dollar, trotz der umfangreichen konzerneigenen Produktionsmittel, die ja nicht einfach verschwinden. Zumal zu diesen Firmen auch Rüstungsgiganten wie Boeing und UTC zählen, die sich in dem kolportierten Schreckensszenario eher dumm und dämlich verdienen würden.

Nein, die Firma des Deutschpanamaers kann mit etwas viel verlässlicherem aufwarten: Der sogenannten “Olduvai-Theorie”, einem derart obskuren Gebilde, dass sie nicht einmal nennenswerte Google-Ergebnisse erzielt. Einer ihrer zentralen Punkte ist jedenfalls die Annahme, dass die Weltbevölkerung ab 2015 kontinuierlich abnehmen, das industrielle Zeitalter 2030 enden und die Weltwirtschaft sich zu Ackerbau und Viehzucht zurückentwickeln wird. Ja, Sie haben richtig gelesen.

Wie das nun zu dem düsteren Zukunftsaussichten à la “Es wird eng in Europa” passen soll, mit denen die Firma den Kauf eines Ackers in Panama schmackhaft machen will – das weiß ich auch nicht. Aber ich bin ja auch kein Verschw…, äh, Wirtschaftstheoretiker, sondern Journalist, und als solcher erhoffe ich mir durch diesen Artikel zahllose Preise und Jobangebote.

Schließlich bin ich durch “Xing” auf diese Geschichte gestoßen. Da muss doch was drin sein. Allein schon wegen der Häufigkeit des Wortes “Weltuntergangsstimmung”.

*) Ich wollte gerne mal das Wort Kumquats in einem Text verwenden. Die Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder.

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