Blick zurück nach vorn – Oldenburg 2012

Alle Jahresrückblicke verdaut? Zeit für die Jahresvorschauen – auch bei uns im Lokalteil, der bekanntlich vor keinem abgegriffenen Format zurückschreckt.

Bekommt wohl auch im neuen Jahr kein Bronzebein auf Oldenburger Boden: Graf Anton Günther. FOTO: M. Nolte

Bekommt wohl auch im neuen Jahr kein Bronzebein auf Oldenburger Boden: Graf Anton Günther. FOTO: M. Nolte

2. Januar: Silvesterpartygäste, die nicht mitbekommen hatten, dass die neue Sperrstundenregelung ausnahmsweise für diesen Tag aufgehoben wurde und die sich deshalb um fünf Uhr morgens auf der Straße wiederfanden und nicht wussten, was sie mit sich anfangen sollen – schließlich war die Nacht noch jung – ziehen noch Tage später saufend und marodierend durch die Innenstadt. Die Kosten für die anschließende Säuberung von Hauseingängen machen einen Nachtragshaushalt erforderlich.

4. Februar: Die taz findet heraus, dass EWE-Chef Brinker heimlich 40 Millionen Euro für den Bau der Hamburger Elbphilharmonie abgezwackt hat, wo das Geld zur Anschaffung vergoldeter Garderobenkleiderbügel verwendet wurde. Da die immerhin schon zur Verfügung stehen, drückt der Hamburger Senat angesichts der Bauverzögerungen weitere Augen zu. OB Schwandner dazu: „Die EWE ist eine gute Firma.“

28. Februar: Zur Sitzung des Stadtrats werden nicht nur die BFE aus Hannover, sondern im Rahmen der Amtshilfe auch kampferprobte Einheiten aus Masar-i-Sharif angefordert. Diese sperren, um doch noch irgendwo Kosten zu sparen, nicht mehr – wie ursprünglich geplant – das PFL weiträumig ab, sondern gleich die Türen des Alhambras. Ulrich Eigenfeld muss feststellen, dass nachts Unbekannte einen mit Krokodilen bevölkerten Wassergraben um sein Haus gezogen haben, weshalb er von der Bundeswehr ausgeflogen wird. “Wie damals in Stalingrad”, kommentiert der Ratsherr seine Rettung.

14. März: Der Tarifkonflikt bei der NWZ weitet sich zu einem offenen Streik aus. Um das Blatt dennoch voll zu kriegen, geht der Verlag dazu über, die Seiten mit mehr Bildern von Verkehrsunfällen zu füllen und erfindet damit die analoge Klickstrecke. Nachdem der Versuch, per StudiVZ („Xing? Was ist ein ‚Xing’?“) hilfswillige und sich mit einem Hungerlohn zufrieden gebende Streikbrecher zu finden, erfolglos blieb, da niemand mehr bei StudiVZ ist, einigt man sich im Tarifstreit auf einen Kompromiss: Die Mitarbeiter leisten mehr Stunden für gleich viel Geld und weniger Zulagen, bekommen dafür aber auch weniger Peitschenhiebe. Die Redakteure, die nicht gestreikt haben, werden nachts in die Schlosshöfe gebracht und dürfen einen Einkaufsgutschein im Wert von 1.000 Euro auf den Kopf hauen.

2. April: Bei Recherchen im Staatsarchiv wird ein Dokument aus dem Jahr 1512 entdeckt, in dem von einer „alten Burg“ die Rede ist. Spontan veranstaltet das OTM eine 500-Jahre-Oldenburg-Feier mit Fressbuden am Stau und zwölf verkaufsoffenen Sonntagen auf der Reihe.

21. Mai: Die Ratsfraktion der CDU schrumpft nach weiteren Austritten auf acht Mitglieder. Die Grünen reagieren mit einem sofortigen Abwahlantrag gegen OB Schwandner, der allerdings wieder an einer Stimme scheitert. Eine fieberhafte Suche nach dem Verräter beginnt.

8. Juni: Die mit dem Neubau der Weser-Ems-Halle befasste Baufirma gibt bekannt, dass sie den Kostenvoranschlag nicht wird einhalten können. Der Fertigstellungstermin verzögert sich ebenfalls. Alle Ratsfraktionen sagen in einer gemeinsamen Erklärung, dass es trotzdem eine gute Idee ist.

12. Juli: OB Schwandner wird auf seiner fünften Südafrikareise des Jahres von simbabwischen Freischärlern entführt, aber nach vier Tagen wieder freigelassen, nachdem sie zur Kenntnis nehmen mussten, dass der Rat der Stadt trotz mehrfacher Absenkung der Forderung kein Lösegeld bezahlen würde.

30. August: Zur Eröffnung des Stadtfestes hält Kohlkönig Günther Oettinger seine Rede auf Wunsch des OB, der die Internationalität der Stadt betonen will, auf Englisch. Da ihn niemand versteht, bekommt auch keiner mit, dass er die flächendeckende Einführung von Mini-Atomkraftwerken der US-Firma “Hyperion Power Generation” fordert.

28. September: Nach der Drohung Horst Mildes, sich aus Protest gegen die fortgesetzte Ablehnung des Reiterstandbilds Graf Anton Günthers während des Kramermarktsumzugs selbst zu verbrennen, soll es nun doch aufgestellt werden. Allerdings ist nach wie vor nicht vom Schloss die Rede, statt dessen allerdings nun vom Tillysee in Wardenburg, wo der Graf bekanntlich seinen größten politischen Erfolg feiern durfte. Die NWZ schäumt und schaltet den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein.

5. Oktober: Die EWE erweitert das Portfolio ihrer Unternehmensbeteiligungen mit der Übernahme des Geek-Stuff-Lieferanten „Getdigital“, der unter anderem USB-betriebene Raketenwerfer und weglaufende Wecker produziert. Auf den Versorgungsauftrag seines Unternehmens angesprochen antwortet Brinker: „Das ist eine strategische Entscheidung. All diese Geräte verbrauchen Strom.“ OB Schwander schreibt in seiner Kolumne: „Die EWE ist ein guter Konzern.“

28. Oktober: Das Management der Schlosshöfe gibt die Schließung des Einkaufscenters aufgrund miserabler Besucherzahlen bekannt. Auf dem Grundstück der Schlosshöfe soll nun ein Hallenbad gebaut werden. Argumentation der Verwaltung: Durch das Mehrangebot würden die Eintrittspreise im Olantis sinken.

1. November: Die CDU-Fraktion im Rat schrumpft nach weiteren Austritten auf sechs Mitglieder. Es beginnen Verhandlungen mit der FDP/WfO-Fraktion über die Bildung einer gemeinsamen Gruppe. Die durch das Händeschütteln zwischen Franz Norrenbrock und Manfred Drieling hervorgerufene Antimaterieexplosion zerstört den nordöstlichen Teil des Rathauses.

16. November: Die Betreiber der Kulturlounge geben bekannt, dass sie noch in diesem Jahr erstmals ein Kulturevent veranstalten werden: ein Konzert von Gentility und Esther Filly.

17. November: Gentility und Esther Filly sagen das Konzert in der Kulturlounge zugunsten einer weiteren Afghanistan-Tournee ab.

4. Dezember: Das Graf-Anton-Günther-Standbild im Wardenburger Wald wird von Bundeswehrbeamten entfernt und eingeschmolzen, da der Krieg in Afghanistan schlecht läuft. Die NWZ fordert in einem Kommentar den UN-Generalsekretär zum Einschreiten auf. Wegen des Denkmals, nicht wegen Afghanistan.

21. Dezember: Die Welt geht doch nicht unter. Der Markt für esoterisch-verschwörungstheoretische Bücher und Maya-Devotionalien bricht kurzfristig zusammen. Die Dehoga ist allerdings mit dem Umsatz der vorangegangenen Tage zufrieden.

30. Dezember: Nach Medienberichten über eine Beteiligung der EWE an der nordkoreanischen Filmindustrie in Millionenhöhe gibt der Vorstandsvorsitzende Werner Brinker bekannt, dass er eine Auszeit nehmen werde und niemand in dieser Zeit auch nur daran denken sollte, seinem Schreibtisch nahe zu kommen, woran sich alle Mitarbeiter und Aufsichtsratsmitglieder halten. Mit der als Wasserturm an der Donnerschweer Straße getarnten Fluchtrakete setzt Brinker sich nach Russland ab, wo er wegen Hochverrats, der noch näher zu definieren sein wird, sofort festgenommen und in eine Zelle mit Michail Chodorkowski gesperrt wird, an den er die Stadt Oldenburg beim Mau-Mau-Spielen verliert. OB Schwander lässt verlautbaren: „Die EWE ist ein gutes Unternehmen.“