Hach ja, die romantische Weihnachtsstimmung…

Platz da!” kläffte es mir von der Seite entgegen, gefolgt von “Machense mal den Weg frei!” und “Vorsicht mit dem Fahrrad da vorne!” Wer aus diesen Ausrufen nun schlussfolgert, ich hätte an einem Unfallort oder dergleichen den Rettungskräften ziemlich dumm im Weg herumgestanden, liegt falsch: Ich stand auf dem Weihnachtsmarkt, und der Typ, der mich derart von der Seite anschnarrte, war Knecht Ruprecht.

Zumindest vermute ich das, denn es handelte sich um eine Art Schergen, der den Weg für den Nikolaus freizumachen trachtete. Gehört das nicht – neben Kinderverprügeln – zum Aufgabenprofil des Knechts mit der Rute? Seine Verkleidung jedenfalls ließ nicht nur zu wünschen übrig, sondern auch eine tiefverwurzelte Geschmacksverirrung erkennen; und statt einer Rute trug er eine Glocke, mit der er eine freie Passage durch das Publikum freibimmeln wollte, was ihn eher wie einen mittelalterlichen Pestkranken als einen Weihnachtsboten erscheinen ließ.

Nachdem ich mich selbst samt Fahrrad beiseite geschoben hatte – wie konnte ich es nur wagen, überhaupt da herumzustehen und zu warten, bis mein Bekannter seine Tüte Maronen bekommen würde? – erntete ich noch einen vernichtenden Blick des aussätzigen Glockenknechts; vermutlich dafür, dass ich mich nicht einfach in Luft aufgelöst oder mit einem Hechtsprung hinter die Maronenbude die Bahn freigemacht hatte. Wenn’s nach ihm ginge, bekäme ich dieses Jahr keine Geschenke.

Immerhin kam ich dadurch in den zweifelhaften Genuss, auch den Rest des traurigen Umzugs quasi in der ersten Reihe betrachten zu können: Hinter dem Bimmelhorst folgte ein bemitleidenswertes Exemplar eines Unpaarhufers, das so ganz und gar überhaupt nichts mit einem Rentier zu tun hatte, sondern verdächtige Ähnlichkeit mit einem Shetland- oder sonstigem Pony aufwies. Wenigstens hatte man darauf verzichtet, es zusätzlich mit einem Plüschgeweih oder ähnlichem weiter zu erniedrigen.

Das offensichtlich schwer deprimierte Tier zog einen gräßlich kitschigen Plastik-Pseudoschlitten auf Gummireifen, in dem wiederum ein geistig abwesend wirkender Weihnachtsmann saß. Vielleicht sollte das ein hoheitsvoller Blick sein, mit dem er einen Punkt etwa 20 Meter weiter vorne anfixierte – für mich saher indes so aus, als würde er überlegen, ob er die 30 Euro Lohn für die alberne Nikolausspielerei tatsächlich bei der Arge würde angeben müssen.Von wegen “Ho-Ho-Ho!

Hinter ihm stand ein weiterer Knecht auf dem Vehikel, vielleicht Rupert, der noch erfolglosere Bruder von Ruprecht, dessen Funktion ebenfalls im Bellen von Worten wie “Platz!” und “Zur Seite!” bestand. Wohl für den Fall, dass die Vorhut ausfällt, etwa weil sie an der nächsten Glühweinbude mit ihrem Angezicke an den Falschen, weil schon ordentlich vorgeglühten Weihnachtsmarkttouristen gerät.

Mit wehleidigem Bimmeln und einer Aura der Verzweiflung trottete diese Coca-Cola-Parodie also an mir vorüber und erwärmte damit mein Herz. Ja, das Land ist im Weihnachtsfieber, das wurde mir in diesem Moment klar. Darauf eine lauwarme Feuerzangenbowle, deren Preis-Leistungs-Verhältnis mehrere Warentest-Mitarbeiter über Wochen um die passenden Worte ringen ließe. Jetzt gilt es nur noch, das Geschenkeauspacken, das Gucken der Weihnachtssendung im ZDF und das Sich-gemütlich-machen in die richtige Reihenfolge zu bringen.

Ebenso wurde mir bei dieser Gelegenheit klar, dass ich folgendes Wort in den kommenden Wochen gottseidank NICHT würde schreiben müssen – nur dieses eine Mal, zum Zwecke der Erläuterung: “besinnlich“. So, jetzt isses raus. Ist ja schon schlimm genug, dass man es bis zum Jahresende noch mehrer Myriaden Mal wird lesen müssen – aber schreiben… würg.

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